Karpaltunnelsyndrom - An die Halswirbelsäule denken!

Karpaltunnelsyndrom – An die Halswirbelsäule denken!

Bei einem Karpaltunnelsyndrom handelt es sich um ein Kompressionssyndrom der Nervus medianus. Neben traumatischen Handverletzungen können auch Sehnenscheidenentzündungen oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus eine wichtige Rolle spielen.

Manchmal kommen Patienten in die Praxis und vermuten bei sich nicht den Karpaltunnel (Canalis carpi) als Problem. Vielmehr geben sie an, dass ihr Problem von der Halswirbelsäule kommen könnte. Was Patienten zu diesen Gedanken führt sind verschiedene Beobachtungen.


Nachfolgend sind einige davon genannt:

- die verordnete Nachtschiene vom Arzt bringt keine Linderung

- die Beschwerden an der Hand treten beidseitig auf

- die Beschwerden werden nach einer Operation nur bedingt bzw. nicht besser

- es besteht ein ziehender und elektrisierender Schmerz teilweise bis in den Oberarm und den Schulterbereich

Der Nervus medianus

Der Nervus medianus entspringt dem Nervengeflecht Plexus brachialis. Hierbei führt er bereits Faseranteile aus den Segmenten C6, C7 und C8 der Halswirbelsäule sowie Th1 der Brustwirbelsäule. Innenseitig des Ellenbogens zieht der Nerv unterhalb eines Aponeurosen-Anteils des Musculus biceps brachii weiter entlang des Unterarms, wo er den Musculus pronator teres kreuzt und entlang der tiefen und oberflächlichen Armbeuger (Musculus flexor digitorum superficialis und profundus) verläuft.

Neben fast allen Flexoren des Unterarms versorgt der Nervus medianus motorisch auch den Daumenballen bzw. die Thenarmuskulatur. Sensibel versorgt der Nerv palmarseitig den Daumen, Zeige- und Mittelfinger, die radiale Seite des Ringfingers sowie einen größeren Teil der Handinnenfläche (siehe auch Abbildungen). Dorsalseitig wiederum versorgt der Nerv die Fingerenden des ersten bis dritten Fingers ab dem proximalen Interphalangealgelenk (PIP-Gelenk). Der vierte Finger wird auch hier nur radialseitig angesteuert.

Kommt es zu einer Schädigung des Nervus medianus, dann zeigt sich das klinische Zeichen der „Schwurhand“.

Mögliche Beschwerden können einen Hinweis geben

Wie beschrieben versorgt der Nerv vorrangig den ersten bis vierten Finger, wobei dies palmarseitig vollständig und dorsalseitig nur ab dem PIP-Gelenk der Fall ist. Hieraus ergeben sich klinisch relevante Beschwerden.

Klinisch relevante Beschwerden können sein:

- Kribbelparästhesien bzw. Kribbeln in den Händen

- Taubheit bzw. Fingerspitzen taub

- ziehende Schmerzen

- nadelstichähnliche Schmerzen

- Schmerz wie elektrisierend

- Schmerzen vor allem nachts

- Schmerzen werden nach dem „Ausschütteln“ der Hand meist besser

- eine Lagerungsschiene bringt häufig Linderung

- Atrophie der Thenarmuskulatur

- Abspreizen und Opposition nur schwer möglich

- Gegenstände werden leicht fallen gelassen

- morgendliche Fingersteifigkeit ist möglich


Welche Anzeichen können auf die Halswirbelsäule hindeuten?

Spinalnerven versorgen sensibel verschiedene Bereiche des Körpers. Hierbei spricht man von Dermatomen (siehe auch die Abbildungen).


Bei der Halswirbelsäule werden folgende Zuordnungen vorgenommen:

- C6: Unterarm radialseitig bis Daumen

- C7: Teil des mittleren Unterarms (dorsalseitig bis zum Ellenbogen) sowie zweiter, dritter und vierter Finger

- C8: Kleiner Finger und Unterarm ulnarseitig (v.a. dorsalseitig)

- Th1: Unterarm und Teile des Oberarms ulnarseitig




Zusätzlich können den Dermatomen verschiedene Kennmuskeln zugewiesen werden.

Diese sind:

- C6: Musculus biceps brachii

- C7: Musculus triceps brachii

- C8: Hypothenarmuskel


Besteht der Verdacht, dass die Kribbelparästhesien bzw. die Taubheit vielleicht von der Halswirbelsäule her rühren, dann müssen die entsprechenden Dermatome sensibel und motorisch überprüft werden.

Die sensible Prüfung bedeutet, dass mit der Hand oder einem Pinsel die Dermatome nach und nach „abgestrichen“ werden. Tritt hier ein Kribbeln oder eine Taubheit auf, so wird das Ergebnis dokumentiert. Sind hier keine Auffälligkeiten spürbar, ist hier eine Schädigung der Halswirbelsäule als zunächst eher unwahrscheinlich einzustufen.

Daneben können auch weitere Untersuchungen vorgenommen werden, um die Kennmuskeln zu überprüfen. Zur Testung des Musculus biceps brachii wird der Bizepssehenreflex, zur Testung des Musculus triceps brachii der Trizepssehnenreflex und zur Testung des Hypothenarmuskels der Trömner-Reflex mithilfe eines Reflexhammers überprüft.

Bevor sensible und motorische Testungen beim Mediziner stattfinden, fallen den Patienten jedoch häufig schon frühzeitig selbst einige Beschwerden auf.


Klinisch relevante Zeichen bzw. Hinweise können sein:

- chronische Schulter- und Nackenbeschwerden

- bekanntes „Schulter-Arm-Syndrom“

- zurückliegende Traumata der Halswirbelsäule wie Schleudertrauma

- bekannte Bandscheibenprobleme

- zurückliegende Bandscheibenvorfälle der Halswirbelsäule

- Blockierungen der Halswirbelsäule

- chronische Spannungskopfschmerzen und bzw. oder Migräne

- Gleichgewichts- und Konzentrationsstörungen

- Schwindel v.a. nach Lagewechsel oder ungünstiger Haltung z.B. Gartenarbeit, Bücken, morgens nach dem Aufstehen (durch unter Umständen ungünstige Kopflagerung über Nacht)


Durch die genannten Dinge kann meist schon differenziert werden, ob es sich um ein Karpaltunnelsyndrom im „klassischen“ Sinne handelt oder auf eine Problematik der Halswirbelsäule zurückzuführen ist.


Was sind die nächsten Schritte?

Besteht der Verdacht auf Kribbelparästhesien oder Taubheit durch die Halswirbelsäule, dann können weitere Untersuchungen beim Orthopäden bzw. Neurologen erfolgen. In diesem Zusammenhang werden dann meist zusätzliche Untersuchungen wie MRT oder CT vorgenommen.

Weiterhin ist zu überlegen welche Veränderungen im Alltag möglich sind, um die Halswirbelsäule zu entlasten.


Hier sind einige Fragestellungen:

- Wie ist die Arbeitshaltung am PC? Gibt es einen ergonomischen Stuhl oder höhenverstellbaren Tisch?

- Wurde ein zurückliegendes Schleudertrauma hinreichend behandelt?

- Sind Blockierungen der Halswirbelsäule bekannt und wurden diese bereits behandelt?

- Wie ist die Liegeposition im Bett? Ist die Anpassung des Schlafkissens bzw. der Matratze erforderlich?

- Wie ist die Position beim Fahrradfahren?

- Wird ein die Halswirbelsäule belastender Beruf ausgeübt? Gibt es hier Möglichkeiten der Entlastung?


Ein Video begleitend zum Blog-Artikel

Hier findest du ein Video (Länge ca. 4 min) begleitend zum Blog-Artikel.



Quellen

(1) Bierbach E. 2019. Naturheilpraxis heute. Lehrbuch und Atlas. 6. Auflage. München: Urban & Fischer Verlag

(2) Irnich, D. 2009. Leitfaden Triggerpunkte. München: Urban & Fischer Verlag

(3) Schünke M, Schulte E, Schumacher U. 2018. Prometheus Allgemeine Anatomie und Bewegungsapparat. Lernatlas der Anatomie. 5. Auflage. Stuttgart: Thieme Verlag


Wichtiger Hinweis

Dieser und alle anderen Artikel des Blogs dienen nicht zur Selbstdiagnose und Selbstbehandlung. Zudem ersetzen diese keinen Besuch bei einem Arzt. Jegliche Anwendungen und Maßnahmen sollten zuvor immer mit Ihrem Arzt besprochen werden. Eine Haftung für Schäden und andere Nachteile ist ausgeschlossen.

Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt (Bianca Peters®).



Kribbeln & Taubheit in den Fingern?

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