Migräne kann verschiedene Ursachen haben. Hierzu zählt z.B. die hormonelle Migräne, die Migräne bedingt durch Schmerzmittel (siehe auch diesen Link) oder auch die Migräne aufgrund von Stress oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Zudem kann Migräne auch durch ein Zuviel an Histamin bzw. eine Histaminunverträglichkeit ausgelöst werden.
Im Internet kann man immer wieder lesen, dass es ein Piercing gegen Migräne gibt. Dieses wird in den Ohrknorpel gesetzt und soll so einen bestimmten Akupunkturpunkt stimulieren. Untersuchungen und Studien gibt es hierzu bisher jedoch nicht. Lediglich in der Meta-Datenbank PubMed ist ein Patientenfall beschrieben. Hierbei handelte es sich um einen 54-jährigen Mann mit einer refraktären chronischen Migräne. Dem Mann wurde beidseitig solch ein Migräne-Piercing gesetzt, wodurch sich seine Beschwerden verbesserten (1).
Durch das Piercing können die Beschwerden gegebenenfalls reduziert werden. Meist ist jedoch zu beobachten, dass sich die Häufigkeit und Intensität der Attacken nicht bzw. kaum verändert oder sogar zunimmt.
Des Weiteren können folgende Dinge sich als problematisch erweisen:
- Wundheilungsstörungen und damit Gefahr für entzündliche Prozesse am Ohrknorpel.
- Vermehrte Migräne-Attacken mit gesteigerter Intensität.
- Verlust von Akupunkturpunkten durch Vernarbungen des Ohrknorpels.
Auf dem Foto ist der Punkt für das Piercing zu sehen:
Akupunkturpunkte am Ohr
Die Akupunkturpunkte am Ohr wurden vom französischen Arzt Paul Nogier in den 50er Jahren entdeckt. Nach und nach fügten sich immer mehr Punkte auf eine „Ohrlandkarte“ zusammen. Betrachtet man nun den Punkt für das Migräne-Piercing am Ohr, dann befindet sich hier der sogenannte Nullpunkt. Dieser Nullpunkt ist ein sehr wichtiger Punkt in der Ohr-Akupunktur und wird häufig genutzt, um andere Punkte in ihrer Wirkung zu unterstützen bzw. Situationen und Beschwerden zu stabilisieren. Nur einige Millimeter darüber befindet sich beispielsweise der Zwerchfell-Punkt (2). Auf anderen veröffentlichten Bildern im Netz weichen die Punkte häufig stark voneinander ab. Dadurch ist hierbei meist nur schwer nachvollziehbar, welche Punkte „stimuliert“ werden sollen. Auf einigen Bildern werden teilweise Bereiche der Speiseröhre, des Dünndarms und des Dickdarms gepierct, wobei dies vermutlich nicht so von den jeweiligen Piercing-Studios vorgesehen war. Ein weiterer Punkt neben dem Zwerchfell ist der Punkt gegen Wetterfühligkeit. Dies könnte im Entferntesten erklären, warum vielleicht genau dieser Punkt bei einigen Patienten die Migräne lindert. Die Linderung könnte jedoch nur dann greifen, wenn die Migräne ausschließlich durch Wetterumschwünge hervorgerufen wird.
Wird der „Migräne“-Punkt nicht korrekt getroffen, dann können andere Punkte unweigerlich stimuliert werden. Hierdurch ergeben sich aus dieser Behandlung drei grundlegende Probleme:
- Der Null-Punkt ist kein geeigneter Punkt zur Behandlung der Migräne.
- Geeignete Punkte sollten genadelt, jedoch niemals gestochen werden.
- Wundheilungsstörungen und Vernarbungen machen einen Akupunkturpunkt am Ohr meist unbrauchbar. Dies ist vor allem bei beidseitigen Piercings problematisch.
Das Piercing als Lösung?
Es wäre tatsächlich zu einfach, wenn es so funktionieren könnte. Jedoch ist die Migräne eine sehr komplexe Erkrankung und von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Auch beim Blick auf die histaminbedingte Migräne wird ein Ohr-Piercing vermutlich kaum bzw. keine Verbesserung erzielen.
Ohr-Akupunktur als Lösung?
Die Akupunktur am Ohr ist mit deutlich weniger Nebenwirkungen behaftet. Zudem können sehr gezielt die millimetergroßen Punkte genadelt werden. Um die Akupunktur zu unterstützen, können nach der Behandlung auch sogenannte „Dauernadeln“ gesetzt werden. Diese bleiben in der Regel etwa 7 Tage im Ohr und hinterlassen keine Narben.
Ein/e gut ausgebildete/r Arzt/Ärztin bzw. Heilpraktiker/in findet entscheidende Punkte und kann diese behandeln. Vor der Behandlung wird ein Aufnahmegespräch geführt um zu schauen, ob die Migräne durch Kiefergelenksbeschwerden, Hormone, Wetterumschwünge, eine schlechte Entgiftung oder auch durch Histamin ausgelöst wird. Nur durch diese Informationen kann die Behandlung fundiert starten.
Akupressur als Alternative?
Als kleine Alternative kann ein Akupressurpunkt der Dickdarmleitbahn genutzt werden. Die Leitbahnen sind auf die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) zurückzuführen. Der Punkt dieser Leitbahn nennt sich abgekürzt Di4.
Den Punkt findest du wie folgt:
- Führe den Daumen und Zeigefinger zusammen
- Der Punkt befindet sich am Ende der Falte zwischen beiden Fingern bzw. auf dem höchsten Punkt des kleinen Gewebepolsters
Den Punkt findest du auf beiden Seiten deiner Hand. Den Punkt kannst du täglich „vorsorglich“ für einige Minuten mit deinem Zeigefinger, Daumen oder mit dem Ende eines Kugelschreibers drücken. Bei einer Migräne-Attacke kann der Punkt lindernd wirken.
Wichtiger Hinweis
Dieser und alle anderen Artikel des Histamin-Blogs dienen nicht zur Selbstdiagnose und Selbstbehandlung. Zudem ersetzen diese keinen Besuch bei einem Arzt. Jegliche Anwendungen und Maßnahmen sollten zuvor immer mit Ihrem Arzt besprochen werden. Eine Haftung für Schäden und andere Nachteile ist ausgeschlossen.
Quellen:
1) Cascio Rizzo A, Paolucci M, Altavilla R, Brunelli N, Assenza F, Altamura C, Vernieri F. Daith Piercing in a Case of Chronic Migraine: A Possible Vagal Modulation. Front Neurol. 2017 Nov 27;8:624. doi: 10.3389/fneur.2017.00624
2) Angermaier, M. (2011). Leitfaden Ohrakupunktur. Urban & Fischer Verlag
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